Die Rosebusch Verlassenschaften in Hannover-Ahlem, genauer im Rosebuschweg, findet Ihr in einem alten Industriegebäude – eine Halle, die ein wahres Zeugnis deutscher Industriegeschichte ist. Die Rosenbusch Verlassenschaften – ein Ort prall gefüllt mit Geschichte. Handwerkszeug, alte Besen, Schrauben, Zurrschlaufen, Gummi, … – Dinge, die untrennbar mit dem Leben von Millionen KZ-Häftlingen und Zwangsarbeitern in Verbindung stehen und durch die Verdichtung des Künstlerehepaars Breusten zu einem Gesamtkunstwerk wurden.
Hans Jürgen Breuste (✝ 2012) und seine Frau schafften seit 1997 das Material über mehrere Jahre vom ehemaligen Conti-Gelände in Limmer nach Ahlem in die Turbinenhalle des ehemaligen Umspannwerks der Preußen-Elektra. Und sie schufen dort wahrlich einen Ort, den jeder einmal besuchen sollte.
Wichtig: Nur an zwei Tagen im Monat sind die Verlassenschaften zu besuchen – jeden 1. Freitag und Samstag im Monat von 15-19 Uhr.
Ein Besuch in den Rosebusch Verlassenschaften
Breusten selbst sagte zu seinem Gesamtkunstwerk „Es ist nicht nur der Versuch, das Material vor dem Vergessen zu bewahren, sondern die Vergangenheit in die Zukunft zu tragen“.
Auch deshalb standen die Verlassenschaften lange schon auf meiner „to do-Liste Hannover“. Grund genug eine kleine Fahrradtour, vorbei an der neuen Wasserstadt in Limmer und dem ehrwürdigen Conti-Gebäude, zu machen. Am Rosebusch angekommen war ermutigend der Wegweiser zu lesen – „… aha, also einfach aufs Grundstück dieses Fabrikgeländes fahren“, das schwere Metalltor stand an diesem Samstag weit offen.
Hinten rechts am Grundstück tat sich die mächtige Halle auf, nur zwei weitere Besucher hatten das gleiche Ziel. Schon im Eingangsbereich hörten wir leise in der Ferne klassische Musik, sie zog uns hinein – in diesen denkwürdigen Ort.
Und als wir schließlich in der Halle standen und wir das gesamte Ausmaß der Ausstellung erfassten, waren wir einfach nur überwältigt!
Sprachlosigkeit – tiefe Wirkung
Die imposante Halle mit den vielen unterschiedlich gehäuften Materialien, den warmen Lichtern und den rostigen Farben, erzeugten bei uns ein Gefühl der Sprachlosigkeit.
Mein Partner und ich trennten uns intuitiv, jeder wollte diese Halle individuell erst einmal für sich durchschreiten – jeder in seinem eigenen Tempo. Separat für sich selbst, nahmen wir die Kunstwerke, die dort herrschende Atmosphäre und auch die dahintersteckenden Geschichten erst einmal auf und ließen diese auf uns wirken lassen.
In mir kam eine Stille auf, getragen von der Musik, dem Licht, dem Geruch – ein besonderes Gefühl meines Daseins. Und ich begrüßte innerlich, dass bei unserem Besuch wenig Besucher dort waren.
Erst nach einiger Zeit traf ich mit meinem Partner wieder aufeinander – und es dauerte etwas, bis wir uns über dieses Gesamtkunstwerk und unsere persönlichen Eindrücke austauschen konnten.
Die Rosebusch Verlassenschaften – ein Gesamtkunstwerk
Skulpturale Stillleben – das erwartet einen, wenn man die alte Turbinenhalle betritt. Durch das Zusammenspiel von Verdichtung der Materialien in Gruppen und der Lichtfarbe ergibt sich jeweils ein eigenes Bild – und gleichzeitig ergeben die „sortierten Haufen“ im Gesamtkontext ein großes Kunstwerk.
Immer wieder findet man Portraits von Zwangsarbeitern oder großgezogene Deportationslisten – ein Gänsehautgefühl, da man zu den eigentlich leblosen Gegenständen doch Leben zuordnen kann.
Ein Berg aus Gummi oder Wollstoff-Rollen und zahlreiche Dinge, die französische Zwangsarbeiterinnen in Limmer verarbeiteten. Oder das Objekt „Litzmannstadt“ – benannt nach dem Zwangsarbeiterghettos im polnischen Lodz – bei dem 2.500 Lazarettliegen an einer Wand lehnen und genau gegenüber zahlreiche Fotografien und Todeslisten hängen.
Die ästhetisch angeordneten Werkzeuge auf den Tischen wirken so, als könnten sie jeden Moment wieder in die Hand genommen und benutzt werden, als würden sie nur darauf warten. Man ist dort in einer anderen Welt – ein Gefühl sehr individuell – ein authentischer Ort, mit dem jeder so umgeht und etwas mitnimmt, wie man es kann und will.
Wandelt man durch die Halle, so sieht man auch immer wieder Kunst von Almut Breuste – große oder kleine Gemälde, die sich in das Gesamtkunstwerk fügen – und doch auch für sich alleine sprechen. Sie wurden nicht für diesen Ort konzipiert, aber sie passen, wohl auch durch die enge Verknüpfung in der künstlerischen Arbeit mit ihrem Mann. (Mehr zu Almut Breuste in dem wunderbaren Artikel vom stadtkind – hier) =Künstlerin Almut Breuste
War ich erst etwas irritiert, dass keine großen Erklärungstafeln dort hingen, verstand ich schließlich den Ort für mich selbst – und dies wird jedem so gehen.
Oberflächlich betrachtet zeigt die Ausstellung deutsche Industriegeschichte und schafft die Verbindung zum Leben von Millionen KZ-Häftlingen und Zwangsarbeitern. Doch die vielen weiteren Ebenen, die einzelnen Installationen und schließlich das Gesamtkunstwerk sorgen in einem persönlich noch für viel mehr.
Wer ein Stück Geschichte über Linden, Verdichtung und Kunst und Raum hautnah erleben möchte, der sollte auf jeden Fall bei den Rosebusch Verlassenschaften vorbeischauen – ein Erlebnis was man nicht missen sollte. Der Eintritt ist frei.
Rosebuschverlassenschaften
Almut Breuste
Rosenbuschweg. 9
30453 Hannover
Tel. 0511–79 46 78
info@rosebuschverlassenschaften.de
ÖFFNUNGSZEITEN
- jeden 1. Freitag und Samstag im Monat von 15-19 Uhr
- Dezember bis Februar Winterpause
- Besuche für Schulklassen und Gruppen ganzjährig nach Vereinbarung möglich.