Der Fotokünstler Guido Klumpe, geboren 1971 in Osnabrück lebt seit 2006 in Hannover und ist seit seiner Geburt stark sehbehindert. Auf dem linken Auge ist er blind, sein rechtes Auge besitzt ein Sehvermögen von 25 Prozent. Vielleicht liegt es daran: Seine Kunst lädt zu Achtsamkeit und einer anderen, aber dennoch gleichen Welt in anderer Dimension ein.
Guidos Weltbild ist flächig …
Guidos Weltbild ist zweidimensional und hat wenig Details: „Für mich ist die Welt ein bisschen wie ein Internetvideo mit geringer Datenrate. Bei einem einzelnen Gesicht erkenne ich Einzelheiten, Gesichter in einer Menschenmenge sind nur noch Flächen“.
Street Fotograf: einmal um die Welt
Mit 16 Jahren entdeckt Guido seine Passion für die Fotografie. Es beginnt mit der Konzertfotografie für ein Jugendzentrum, wenig später haucht er dem Fotolabor dort neues Leben ein und gibt Workshops in Bildentwicklung. Nach dem Abitur reist er für ein Jahr durch Südostasien und entdeckt die Magie der Street Fotografie. Intuitiv erfasst er fotografisch den entscheidenden Augenblick in Szenen der menschlichen Interaktion, ohne das Genre überhaupt zu kennen.
Deutsche Bürokratie: Sehbehinderte eignen sich nicht fürs Fotografiestudium
Zurück in Deutschland will Guido sich für ein Studium der Fotografie einschreiben, doch die deutsche Bürokratie hält ihn auf. Als sehbehinderter Mensch sei er nicht geeignet für das Studium. „Damals habe ich die Meinung verinnerlicht, ich könnte kein erfolgreicher Fotograf werden. Stattdessen studierte ich soziale Arbeit und leiste heute psychosoziale Beratung für Menschen, die früher als Kinder in Behinderteneinrichtungen schlimme Erfahrungen machen mussten“.
Dokumentation erinnert Guido an seine Leidenschaft
Vor fünf Jahren sah Guido Klumpe zufällig eine Dokumentation über bekannte Street Fotografen in New York. Er erinnerte sich an die Freude und Leidenschaft, mit der er früher auf den Straßen unterwegs war.
Die Kunst der Farben
Und er machte wieder das, was ihm schon damals Spaß machte. Mit Erfolg – auch ohne Fotografie-Studium. Bürokratie sei Dank … Heute ist Guido ein erfolgreicher Künstler. Seine minimalistischen Architektur- und Street Fotografien werden international gezeigt und gewinnen viele Auszeichnungen. „Mittlerweile weiß ich, dass es bei der Fotografie nicht darauf ankommt, wie klein die Buchstaben sind, die man beim Sehtest erkennen kann. Es geht in der künstlerischen Fotografie nicht darum, wieviel man sieht. Es geht darum, wie man sieht und wie man es umsetzen kann. Durch die Fotografie gehe ich an und über die Grenzen meines Sehens“.
Zweidimensionale Welt
Seine aktuelle Serie „Loosing one dimension“ ist auch eine Reaktion auf die Pandemie: „Als Corona Deutschland erreichte, arbeitete ich an einer Serie, die das Spannungsverhältnis zwischen den urbanen Räumen und ihren Bewohnern untersucht. Doch mit dem Lockdown verschwanden die Menschen von den Straßen. Das brachte mich dazu, die Architektur ganz neu zu entdecken. Ich streife bevorzugt durch Hannovers Außenbezirke, in denen sich viele nüchterne, aber bunte Betriebe und Einkaufszentren befinden. Dort kann ich verschiedene Ebenen der Gebäude durch Wahl des richtigen Blickwinkels übereinander legen. Durch die Reduktion der optischen Anhaltspunkte durch den entsprechenden Ausschnitt wird aus dreidimensionaler Architekturfotografie etwas, dass sich zwischen Malerei und Fotografie bewegt. Man kann hier und dort noch Hinweise auf Gebäude finden, doch oft bleibt es zwischen dem Konkreten und Abstrakten.
Achtsam beobachten
Ich arbeite daran, dass meine Bilder etwas Rätselhaftes behalten. Ich möchte die Betrachter einladen, sich mit dem Prozess des Sehens zu beschäftigen: Was ist in dem Bild vorne, was ist hinten, wie setzt es sich zusammen? Und ich möchte dazu einladen, achtsamer durch die Straßen zu gehen, sich an Farben und Formen zu erfreuen, die uns umgeben.“
Den Kalender, ein Kunstkarten-Set und limitierte Drucke in Galeriequalität seiner Arbeiten bekommt man auch online auf seiner Seite www.minimal-city.de.