Theaterspaziergang? Ich musste einmal kurz nachdenken … Im zweiten Gedanken machte es mich neugierig. Der gemeinnützige Verein ‚STATTREISEN‘ bietet Hannover-Touren der ganz anderen Art, geführt von kostümierten Darstellern, die als Prominente oder gemeine Bürger, über gewonnene Lebensweisheiten philosophieren und aus ihrem Leben in Hannover erzählen.
Die Theaterspaziergänge können – je nach Vorliebe – vorbei an den Stätten der Pestkranken, durch´s Rotlichtmilieu, durch die Herrenhäuser Gärten oder andere Quartiere der Stadt führen. 60 Stadtführer und Darsteller für ca. 300 Veranstaltungen pro Jahr machen somit die Geschichte und Kultur der Landeshauptstadt unterhaltsam erfahrbar.
Ich gönnte mir zwei Theater-Touren, … einmal mit Wilhelm Busch und einmal durch Linden:
Mit Wilhelm Busch unterwegs durch Hannovers City
Wilhelm Busch, der vier Jahre in Hannover lebte und durch seine Bildergeschichten erst zu spätem Ruhm gelangte, ist eine der spannenden Persönlichkeiten, die „Stattreisen“ für eine seiner Führungen ausgewählt hat.
Die Geschichte: Auf der Durchreise besucht Wilhelm Busch seine alte Studentenstadt und so beginnt die Führung folgerichtig „unter dem Schwanz“ vor dem Hauptbahnhof. Verschiedene Orte der Innen- und Altstadt luden uns zu einer Rast ein und ließen den Schauspieler aus der Vergangenheit erzählen. Ein „Sauflied“ gehörte dabei genauso zu seinen Erinnerungen, wie die eigene schwierige Kindheitsgeschichte als Ältester von acht Kindern und das gute Verhältnis zur Mutter. Der gemeinsame Gang endete nach 90 Minuten und Wilhelm Busch verabschiedete sich und setzte seine Reise mit der „Elektrischen“ fort.
Kurzweilig, persönlich und unterhaltsam – so würde ich den Rundgang mit Wilhelm beschreiben.
Gegensätze ziehen sich an, seit je schon in Linden
Die zweite Tour folgte in Linden – unter dem Titel: „Fürsten, Färber, Fabrikanten“ hörten wir aus dem Leben der Lindener im Jahre 1912, kurz vor dem 1. Weltkrieg, und wurden zum Heer der Arbeitssuchenden erklärt und somit Teil der Geschichte.
Der Spaziergang begann am Lindener Marktplatz und während sich die Geschichte weiterentwickelte, folgte das Heer der Arbeitslosen den Darstellern, die überraschend schnell und unerwartet auftauchten (und verschwanden) oder in verschiedene Rollen wechselten.
Herzblut und Charakter
Es war eine kleine Zeitreise in den Beginn des letzten Jahrhunderts. Die Situation des Lindener Kleinbürgertums wurde anregend schauspielerisch präsentiert, die Nöte und Sorgen, aber auch sehr anschaulich der Zusammenhalt der Bürger (… ‚eine Hand wäscht die andere‘) kam mit Herzblut und Charakter an. Wir lauschten aber auch den Gedanken der Großbürger, einer Gräfin und einem Industriellem, und ihrer Sicht über die Wirren um 1912.
Wie die Geschichte weitergeht, möchte ich hier natürlich nicht verraten – aber soviel sei gesagt: Es lohnt einzutauchen und in eine Welt mitnehmen zu lassen, die sich vor gut 100 Jahren so oder so ähnlich abgespielt haben könnte.
Geschichte mal anders ‚erleben‘
Wer bei diesen Theaterspaziergängen allerdings eine echte Stadtführung erwartet – mit Informationen zur Geschichte des Stadtteils, zu einzelnen Gebäuden, Personen oder Ereignissen – der kommt hier weniger auf seine Kosten und sollte lieber die auch angebotenen ‚Standard-Touren‘ (Stadtspaziergänge) von STATTREISEN e.V. buchen. Das Konzept der Theaterspaziergänge legt auf eine ganz andere Art den Fokus: Auf das ‚Erleben der Geschichte durch Menschen‘ – was mit den lebendigen Theaterspaziergängen durchaus gelingt und sich auch Alteingesessene einmal gönnen sollten.
Die Preise p.P. für die Veranstaltungen variieren zwischen € 9.- für Stadtspaziergänge und € 29.- für eine kulinarische Entdeckungstour ‚Hannover häppchenweise‘. Viele Spaziergänge können spontan besucht werden, andere nur nach Voranmeldung, sodass eine Vorabinfomation zu empfehlen ist.
Stattreisen Hannover e.V.
Escherstraße 22
30159 Hannover
Tel.: 0511 169 41 66
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