Crowdfunding fürs Gemeinwohl
Das Interesse, die eigene Stadt – dort, wo man wohnt, arbeitet, vielleicht die eigenen Kinder aufwachsen sieht und seine Freizeit verbringt – noch lebenswerter zu machen, ist sicher weit verbreitet. Doch eine gute Idee allein reicht nicht aus, um ein Projekt zu realisieren. Dazu bedarf es großen Engagements, möglichst vieler Menschen, die mit anfassen, und natürlich finanzieller Mittel. Das Bürgerbüro Stadtentwicklung für Beteiligungskultur (bbs), gegründet zur Expo, nimmt sich genau solcher Aufgaben an: die Bürgerbeteiligung in Hannover zu fördern. Das neueste Projekt des bbs ist die neue Crowdfunding-Plattform „HannoverMachen“. Geplant ist ein Portal, auf dem hannoversche Initiativen und Aktionen ihre Ideen und Projekte vorstellen, um auf diese Weise Geldgeber und Unterstützer zu finden. Ende Oktober 2016 ging die Internetseite online. Das STADTKIND sprach mit Oliver Kuklinski, dem Geschäftsführer des bbs, über die Entstehung und Aufgaben des Portals sowie den Sinn und Zweck von Bürgerbeteiligung.
Wie kam es zu der Idee, das Portal „HannoverMachen“ ins Leben zu rufen?
Die Idee entstand im Rahmen des Stadtentwicklungsdialogs „Mein Hannover2030“. Dort haben wir uns als Bürgerbüro Stadtentwicklung intensiv, zusammen mit Bürgern, für eine Stadtentwicklung mit und für alle Hannoveraner engagiert. Es wurde deutlich, dass in Hannover häufig Mitwirkungsmöglichkeiten für Projekte der Stadt bestehen, dass es aber für die Ideen und Projekte der Stadtöffentlichkeit noch keine ausreichende Unterstützungsstruktur und -kultur gibt. Inspiriert haben uns u. a. die „Stadtmacher“ in Hamburg und Crowdfunding-Plattformen wie www.startnext.com.
Welche Auftaktprojekte machen den Anfang?
Sechs Projekte stehen in der Startphase auf unserer Liste: „Platzda!“, die „Open-Air-Küche“ des Stadtteilbauernhofs aus dem Sahlkamp von Spats e.V., „Glocksee Waste Award“ von der Bauteilbörse, der Verein „A little Help“, die „Küchengärten Ihme-Zentrum Linden“ von Transition Town Hannover und der Internetblog „Hannover im Umbau“. Diese Projekte haben sich auch schon getroffen und die Aufbruchstimmung war für alle Beteiligten inspirierend.
Nach welchen Kriterien wurden die aktuellen Projekte ausgesucht?
Die Projekte haben alle mit Stadtentwicklung und Bürgerengagement zu tun, sie sind gemeinwohlorientiert, innovativ und die Initiatoren brennen für ihre Projekte.
Die Unterstützung seitens des bbs geht ja weit über das bloße Veröffentlichen eines Projektes auf der Crowdfunding-Plattform hinaus. Welche Hilfestellungen auf dem Weg zur Umsetzung einer Projektidee können Sie anbieten?
Die Projekte durchlaufen vier Phasen und werden in diesen von unserem Team und weiteren Unterstützern begleitet. Zunächst einmal geht es um die Präsentation des Projektes auf HannoverMachen.de. Im nächsten Schritt müssen Fans und Unterstützer gefunden werden, dann die eigene Crowd aktiviert und Unterstützung in Form von Mitstreitern oder Geldleistungen eingeworben werden. Und schließlich werden die Projekte in Begleitung z. B. von Mentoren realisiert. Wir betreiben hier klassisches Empowerment. Die Projekte wirken aus sich heraus, wir organisieren Kontakte und Begleitung aus unseren Netzwerken und Erfahrungen heraus.
An wen können sich Interessierte mit der eigenen Projektidee wenden, um bei „HannoverMachen“ aufgenommen zu werden? Und wie ausgereift sollte das geplante Projekt bereits sein?
Unser HannoverMachen-Team steht im Bürgerbüro Stadtentwicklung unter der Telefonnummer: 0511/7000934 oder der Mailadresse: info@hannovermachen.de bereit. Die Projekte können sich im Stadium der ersten Idee befinden oder auch schon weit ausgereift sein. Wichtig ist, dass die Initiatoren bereit sind, sich mit voller Kraft für ihr Projekt zu engagieren. Wir wollen und können unterstützen. Aber die Leute, die hinter den Projekten stehen, müssen ihre Projekte selbst vorantreiben.
Was ist der Vorteil von Crowdfunding beispielsweise gegenüber einer Förderung durch Stiftungen oder Sponsoring?
Der Name sagt es: Eine große Zahl von Unterstützern, die Crowd, mit Begeisterung für mein Projekt zu überzeugen – ja, anzuzünden – ist oft einfacher, in jedem Fall aber inspirierender, als sich der interessengeleiteten Förderlogik von Stiftungen und Sponsoren anpassen zu müssen, bei der Fundraisingprofis und „alte Bekannte“ auch meist mehr Erfolg haben als innovative Projektideen. Dazu haben diese Projekte durch das Crowdfunding eine breite Unterstützer-Basis und damit Akzeptanz bei einer großen Gruppe von Interessierten aus unserer Stadtgesellschaft.
Warum ist aus Ihrer Sicht Beteiligungskultur so wichtig?
Die Lebensqualität einer Stadt wird im Wesentlichen nicht durch ihre Straßen, Häuser und Grünflächen bestimmt, sondern durch den Umgang der Menschen miteinander. Wie wir mit- und übereinander sprechen, was wir zusammen auf die Beine stellen, oder eben auch nicht, das macht den Unterschied. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, die Stadtgesellschaft bei ihrer Mitgestaltung der Stadt, jenseits von reinen Profit- und Partikularinteressen zu unterstützen. Und das macht uns richtig viel Spaß.
Wie groß ist denn die Lust bei Hannovers Bürgern, sich aktiv für das Gemeinwohl einzusetzen, eigene Initiativen zu gründen?
Die Frage haben wir uns auch gestellt und wir sind schon jetzt überrascht von der Vielzahl von Ideen und Initiativen, die „HannoverMachen“ gefunden haben, schon bevor wir unseren ersten Flyer gedruckt hatten. Die Zeit ist reif und wir sind voller Zuversicht, dass Hannover eine weitere besondere Qualität hinzugewinnen wird, und wir sind auch überzeugt davon, dass es auf der anderen Seite viele Hannoveraner und auch Unternehmen und Behörden gibt, die sich darauf freuen, die Projekte zu unterstützen. Wir bekommen gute Signale, nicht nur aus dem Rathaus sondern auch von Unternehmern und interessierten Mitbürgern.
In welchen Bereichen könnte Hannover noch mehr Bürgerbeteiligung gebrauchen?
Bürgerbeteiligung ist kein Selbstzweck. Die Menschen erwarten von Politik und Verwaltung, dass diese ihren Job gut machen, schließlich sind sie dafür gewählt bzw. werden dafür bezahlt. Nicht jede Bordsteinabsenkung braucht ein Bürgerbeteiligungsverfahren. Aber die Profis tun gut daran, exzellent zu kommunizieren, was sie warum tun. Wenn sich dann Interesse regt, gilt es dialogbereit zu sein und ins Gespräch zu kommen. Protest entsteht meist dort, wo Informationen Mangelware sind und die Gerüchteküche brodelt. Wir bieten den städtischen Stellen in Politik und Verwaltung an, anstehende Planungen und Vorhaben auf ihre Relevanz für die Stadtöffentlichkeit hin zu reflektieren und geeignete Maßnahmen, z.B. Bürgerbeteiligungsverfahren, vorzuschlagen – da gibt es in Hannover noch Potenziale. Wir wünschen uns, dass sich die Kultur des Umgangs zwischen allen Beteiligten in Richtung einer kooperativen Stadtentwicklungspraxis entwickelt, „HannoverMachen“ ist ein Baustein dazu. (Interview: Katja Merx)
Weitere Infos unter: www.hannovermachen.de, www.bbs-hannover.de