Frühjahrs-Ausstellungen | Kestner Gesellschaft bis 4.6.23

Jetzt in der Kestner Gesellschaft: Wilde Wuttänze, seltsame Kokons und queere Wandteppiche

Junge zeitgenössische Kunst in der Kestner Gesellschaft, wir finden eine sehr sehenswerte Ausstellung – auf mehr als 1.300 Quadratmetern Ausstellungsfläche – bis zum 4. Juni 2023

• Klára Hosnedlová. To Infinity (Titelbild)

• Diedrick Brackens. everything I have ever touched

• The Institute of Queer Ecology. Hysteria

• Rodrigo Hernández. Flux of Things

[ɡəˈzɛlʃaft]

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Gruppenfoto mit den jungen Künstler*innen: Adam Budak, Direktor der Kestner Gesellschaft, macht mal eben ein Selfie, Foto: Henning Scheffen

Kunst aus gekämmtem Leinengarn

Gleich zwei Premieren gibt es für junge Künstler*innen in der neuen Ausstellungssaison der Kestner Gesellschaft: Angefangen mit Klára Hosnedlová, die in der Kestner Gesellschaft ihre erste institutionelle Einzelausstellung feiert!

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Wilde Gebilde aus Leinen-Wolle. Klára Hosnedlová, To Infinity, 2023, Installationsansicht, Kestner Gesellschaft, courtesy of the artist, Kraupa-Tuskany Zeidler, Berlin, White Cube, London, Foto: Zdeněk Porcal – Studio Flusser.

Die erst 33-jährige tschechische Künstlerin begeistert mit ihrer Ausstellung To Infinity im Erdgeschoss mit riesigen Skulpturen aus Leinengarn, das von der Ernte als getrockneter Halm bis hin zu unterschiedlich gekämmter Wolle sowie grobem und feinem Web-Stoff präsentiert wird.

Böhmisches Textiltradition trifft auf Design und Architektur

Dabei verknüpft Hosnedlová in ihrem Werk traditionelle böhmische Textiltradition mit Mode, Design, Architektur, Skulptur und Performance. Ihre Bilder, eingearbeitet in den riesigen Wollskulpturen, sind teils feinste Nähprozesse, die mit der Sorgfalt und Präzision einer Chirurgin ausgeführt werden.

Geht einfach mal nah dran und seht selbst, wie fein gestickt die fotoähnlichen Ausschnitte innerhalb der Skulpturen sind, die dann wiederum mit exakten Pinselstrichen nochmals übermalt wurden und somit besonders intensiv wirken. 

Klara Hosnedlova detail view 10Low 1024x981 - Frühjahrs-Ausstellungen | Kestner Gesellschaft bis 4.6.23Was von weitem aussieht wie ein Foto, ist ein fein gesticktes und übermaltes Bild. Detailaufnahme, Klára Hosnedlová, To Infinity, 2023, Installationsansicht, Kestner Gesellschaft, courtesy of the artist, Kraupa-Tuskany Zeidler, Berlin, White Cube, London, Foto: Zdeněk Porcal – Studio Flusser.

Kokons aus Epoxidharz

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Klára Hosnedlová vor ihren Kokons. Porträt der Künstlerin in ihrer Ausstellung To Infinity, 2023, in der Kestner Gesellschaft. Foto: Henning Scheffen.

Fast noch beeindruckender sind die kokonähnlichen riesigen Skulpturen aus Epoxidharz in der Kuppelhalle des oberen Stockwerks. Der Stoff, aus dem normalerweise Bootsrumpfe gefertigt werden, verbirgt hier mysteriöse Embryos, die unten in den asymmetrischen Kokoneiern nur darauf zu warten scheinen, dass sie endlich schlüpfen können. Auch hier finden sich wieder die gestickten und bemalten Bilder wie schon oben beschrieben, mit Motiven wie Brustwarzen, Tattoos, Schmuck und ganz vielen Details, die darauf warten, vom Betrachter / von der Betrachterin entdeckt zu werden.

Tapisserien aus Baumwolle mit Blick auf Sklaverei und amerikanische Geschichte

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Diedrick Brackens in seiner Ausstellung everything I have ever tauched, 2022, vor seinem Werk XX in der Kestner Gesellschaft. Foto: Henning Scheffen

Weiter geht es mit der zweiten Hauptausstellung, ebenfalls verteilt auf zwei Räumlichkeiten: Aus den USA kommt Diedrick Brackens, der mit gleichfalls 33 Jahren auch noch zur jüngeren Künstlergeneration zählt, und hier seine erste Einzelausstellung in einer europäischen Kunstinstitution präsentiert. Brackens schafft komplexe, handgewebte Tapisserien. Oft sind dies Allegorien und Erzählungen, die sich mit Themen der afroamerikanischen und queeren Identität sowie der amerikanischen Geschichte und Erinnerung befassen und diese neu untersuchen.

Videoinstallationen über Tanzwut im Stroh …

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Fünf der jungen US-Künstler*innen vom Institute of Queer Ecology in ihrem Strohstadel, Teil der Ausstellung Hysteria. Foto Henning Scheffen.

Die jungen Künstler*innen des Institute of Queer Ecology (IQECO), ebenfalls aus den USA, befassen sich mit dem höchst spannenden Thema „Tanzwut“. Unter dem Motto Hysteria werden hier gleich mehrere neue Mehrkanal-Videoinstallationen uraufgeführt. Gezeigt wird das Phänomen der kaum verstandenen „Tanzwut“, die zwischen dem 10. und 17. Jahrhundert in Europa wütete. Benutzt werden dazu Videobilder, Bewegung und Ton, dabei wurden die Installationen mitten zwischen Strohballen inszeniert, sodass ein ländliches Feeling, insbesondere auch der Geruch des Strohs, das Ganze unterstreicht.

Die sogenannte „Tanzwut“ (auch Tanzkrankheit, Choreomanie und Tarantismus genannt) waren spontane soziale Phänomene, bei denen Menschenmengen, die manchmal in die Tausende gingen, unkontrolliert und hemmungslos tanzten. Diese seltsame Manie betraf dabei Menschen jeden Alters und Geschlechts, manche tanzten, bis sie vor Erschöpfung zusammenbrachen, sich verletzten oder sogar starben.

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Videoinstallationen über Tanzwut vor Strohballen, die als Sitzplätze dienen. Die Ausstellung Hysteria vom Institute of Queer Ecology ist nicht nur sehens- sondern auch hörenswert. Installationsansicht, 2023, Kestner Gesellschaft. Foto: Volker Crone

Mutterkornpilz verursacht „Antoniusfeuer“ …

Obwohl das Phänomen gut dokumentiert ist und über mehrere Jahrhunderte hinweg eine Vielzahl von Menschen betroffen hat, sind diese choreomanischen Ereignisse noch immer kaum verstanden. In einigen gegenwärtigen Theorien werden ausdrücklich ökologische Faktoren als wahrscheinlicher Ursprung für diese choreomanischen Ereignisse genannt. Einem Szenario zufolge könnte Ergotismus – eine vom Mutterkornpilz hervorgerufene Vergiftungserscheinung, damals auch Antoniusfeuer genannt – für die weit verbreiteten psychosozialen Unruhen verantwortlich sein. Der Mutterkornpilz breitet sich klimabedingt in den feuchten Perioden nach Überschwemmungen und in regenarmen Jahren auf Roggen und andere Getreidesorten aus. Die Fruchtkörper dieses Pilzs können Halluzinationen und Krämpfe verursachen, wenn sie gegessen werden.

Fassadenkunst aus Mexiko

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40 silberne Quadrate vereinen sich zu einem spiegelnden Mural über dem Eingang der Kestner Gesellschaft. Foto: Katja Banik

Für die Fassade der Kestner Gesellschaft hat Rodrigo Hernández ein silbernes Tableau entworfen, in dem der mexikanische Künstler seine erzählerische Sprache sowie das modernistische Raster eines architektonischen Musters zusammenfließen lässt. Unter dem Titel Flux of Things hat er ein Mural, eine Wandarbeit, geschaffen, die aus 40 quadratischen Segmenten silberner Bleche besteht. Die Arbeit besticht durch die Glätte der Oberfläche, die ganz unterschiedliche Spiegelungen hervorruft, je nach Tageslicht und Wetter.

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Rodriguez Hernández vor seiner Fassadenskulptur zur Eröffnung seiner Ausstellung Flux of Things, 2023, in der Kestner Gesellschaft. Foto: Henning Scheffen

Hilfe, die Kestner Gesellschaft wurde gehackt!

Was würde passieren, wenn ein Hackerangriff auf die Kestner Gesellschaft stattfände? Das fragten sich die Künstler*innen der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig (HBK) Max Bergmann, Asta Gröting, Aleksandra Saša Jeremić, Charlotte Kremberg, Eileen Raddatz, Luca Rohringer und Luisa Walthers sowie Luis Kürschner & Patryk Kujawa, die das Projekt [ɡəˈzɛlʃaft] konzipierten.

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Sechs der jungen Künstler*innen von der HBK, die das Projekt [ɡəˈzɛlʃaft] organisieren. Foto: Henning Scheffen
Ihre (Klang-) Installation im Rahmen der Future Scenarios, haben die Studierenden der HBK in drei Elemente aufgeteilt: dem Ort der Kestner Gesellschaft, den Menschen, die diesen Platz durchschreiten und einer Konversation … Ob auf dem Screen hinter dem Empfang, außen am Eingang, auf der Toilette oder der Treppe: Überall quetschen sich Töne, Bilder und Sprachnachrichten in die Wahrnehmung der Besucher*innen, ob diese das wollen oder nicht …
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Ab in den Keller: Überall werden Sounds und Bilder installiert. [ɡəˈzɛlʃaft] überrascht täglich mit immer neuen Ideen! Foto: Henning Scheffen.
Selbst Direktor Adam Budak weiß nie, was wie wann gehackt wird– aber in diesem Fall wird statt Datenklau die Kestner Gesellschaft mit sympathischer Kunst bestückt. Hört und seht genau hin, ein wirklich witziges und intelligentes Projekt an all den Plätzen der Kestner Gesellschaft, die sonst frei von Kunst sind. Seid gespannt!

Kestnergesellschaft
Goseriede 11
30159 Hannover

Tel. 0511/7012010

kestner@kestnergesellschaft.de
www.kestnergesellschaft.de


ÖFFNUNGSZEITEN:

  • Montag: geschlossen
  • Täglich und an Feiertagen: 11 bis 18 Uhr
  • Donnerstag: 11 bis 20 Uhr

EINTRITTSPREISE (Stand: 05.2020):

  • Einzelticket: 7€ / ermäßigt: 5€
  • Freitags freier Eintritt

 

Ina

Ich komme aus Berlin, lebte in New York und Paris und landete der Liebe wegen in Hannover. Anfangs schien mir Hannover klein und langweilig – vielleicht sogar etwas dröge. Nach 25 Jahren weiß ich: Hannover ist eine Stadt voller Lebensqualität und Vielfalt! Und darüber wollen wir berichten, auf unserem Hannover-Blog „STYLE Hannover“. GROSSARTIG, dass sich begeisterte Mitwirkende fanden!

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